Politische Gefangene aus Kaliningrad wegen deutscher Fahne verurteilt — aber noch im Gerichtssaal freigelassen

Die drei Männer, die sich seit März 2014 wegen des Hissens der deutschen Fahne auf einem FSB-Gebäude in Kaliningrad in Haft befanden, wurden zwar wegen „Rowdytums“ verurteilt, allerdings nur zu Haftstrafen in der Länge der bereits verbüßten Untersuchungshaft. Ihr Protest hatte sich gegen die russische Annexion der Krim gerichtet. Während der Gerichtsverhandlung stellte sich heraus, dass der 92-jährige Veteran, vom dem der FSB behauptet hatte, er sei ‚beleidigt‘ worden, nicht wusste, dass es sich nicht um die Flagge des Dritten Reiches gehandelt hatte. Außerdem war dieses angebliche „Opfer“ nicht der einzige Zeuge, bei dem nicht ganz klar wurde, welche Fahne denn so „beleidigend“ gewesen sein soll.

Die drei Männer, die sich seit März 2014 wegen des Hissens der deutschen Fahne auf einem FSB-Gebäude in Kaliningrad in Haft befanden, wurden zwar wegen „Rowdytums“ verurteilt, allerdings nur zu Haftstrafen in der Länge der bereits verbüßten Untersuchungshaft. Ihr Protest hatte sich gegen die russische Annexion der Krim gerichtet. Während der Gerichtsverhandlung stellte sich heraus, dass der 92-jährige Veteran, vom dem der FSB behauptet hatte, er sei ‚beleidigt‘ worden, nicht wusste, dass es sich nicht um die Flagge des Dritten Reiches gehandelt hatte. Außerdem war dieses angebliche „Opfer“ nicht der einzige Zeuge, bei dem nicht ganz klar wurde, welche Fahne denn so „beleidigend“ gewesen sein soll.

Wie früher schon berichtet, hatten Michail Feldman und Oleg Sawwin von der lokalen Gruppe “Öffentlicher Selbstverteidigungsausschuss” sowie ein Freund aus Moskau namens Dmitrij Fonarjow am 11. März 2014 eine Fahne der Bundesrepublik Deutschland (!) in einem Glasrahmen auf dem Dach der Garage der regionalen Niederlassung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB aufgestellt. Wie davor schon berichtet erklärte Feldman, dass sie damit einfach auf die Doppelmoral hinweisen wollten, dass Russland offiziell gutheißt, russische Fahnen in einem anderen souveränen Staat zu zeigen, aber wenn eine ausländische Fahne auf russischem Territorium gezeigt wird, so wird dies als Verbrechen angesehen.

Die Flagge wurde sofort entfernt, und die drei Männer wurden zu Gefängnisstrafen von 10 bis 15 Tagen wegen Rowdytums in geringem Maße verurteilt. Die Staatsanwaltschaft entschied jedoch, dass dies nicht genug sei, und leitete ein Strafverfahren nach Artikel 213 § 2 des Strafgesetzbuches ein (Verschwörung zum Rowdytum in einer Gruppe, motiviert durch politischen Hass und Feindschaft und Hass gegen eine bestimmte soziale Gruppe).

Die Ermittlungsbehörde hatte zunächst behauptet, die Aktivisten hätten die Flagge „als Symbol der Loslösung Kaliningrads von Russland“ gehisst, was zum Zeitpunkt der Prozesseröffnung im März 2015 aber in „Beleidigung von Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges“ [2. Weltkrieg] geändert wurde.

Die Anklage behauptete, dass die Glasfassung mit der Flagge der Bundesrepublik Deutschland „einen eklatanten Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dargestellt und die offenkundige Missachtung der Gesellschaft aus Motiven des politischen Hasses und Feindschaft und Hass gegen eine soziale Gruppe gezeigt“ habe. Angeblich seien „die Gefühle und politische Orientierung der russischen Bürger, die Gefühle von Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges und die Erinnerung an diejenigen, die im Großen Vaterländischen Krieg getötet wurden, beleidigt und verunglimpft“ worden.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 24. März wies Maria Bonzler, die Sawwin und Fonarjow vertritt, jedoch darauf hin, dass es keine im Fall betroffenen Kriegsveteranen gebe. Die einzige Person mit „Opferstatus“ sei der Vorsitzende einer Kaliningrader Veteranenorganisation, der vier Jahre nach dem Ende des Kriegs geboren wurde.

Der FSB wollte vermutlich diesen Fehler korrigieren und präsentierte daraufhin einen 92-jährigen Kriegsveteran namens Boris Glybin. Natalja Sotowa von der Nowaja Gaseta berichtete jedoch, dass vor Gericht klar wurde, dass Boris Glybin geglaubt hatte, er sei „durch eine Flagge von Nazi-Deutschland beleidigt“ worden. Nach Angaben von Mitgliedern der Gruppe zur Unterstützung der drei Männer hörten sie außerdem, wie ein Polizist sich danach erkundigte, ob es sich denn um die Nazi-Flagge gehandelt habe.

Sotowa schreibt weiter, dass das Thema des „Faschismus“ während des gesamten Prozesses mitschwang. Die Ermittler erhoben anfangs außerdem den Vorwurf, Feldman habe das nazistische „Sieg Heil!“ gerufen, als die Fahne gehisst wurde. Erst nachdem sie bemerkt hatten, dass Feldman selbst Jude ist, entschieden sich die Ermittler dann aber, den Ruf „Sieg Heil!“ Fonarjow zuschrieben.

Fonarjow ließ sich davon allerdings nicht beeindrucken und sagte, dass eine solche Aktion die Frage aufwerfen würde, warum sie denn keine psychiatrische Beurteilung angeordnet haben, um die geistigen Fähigkeiten eines Menschen zu überprüfen, der mit einem zum Nazi-Gruß erhobenen Arm vor einer modernen deutschen Flagge neben einem Menschen steht, der selbst Jude ist.

Sotowa erklärte, dass Feldman und Sawwin zuvor an Protestaktionen zur Unterstützung der Bolotnaja-Platz-Gefangenen und Pussy Riot teilgenommen und die Proteste gegen den ukrainischen Präsident Wiktor Janukowytsch unterstützt hatten.

Es stellte sich heraus, dass die drei zunächst geplant hatten, die Flagge in der Nähe des Gebäudes der Stadtverwaltung zu hissen, Mediazona berichtet aber, dass sie keine Leiter finden konnten. Auf dem Heimweg sah Fonarjow, der jüngste der drei, anscheinend zufällig eine geeignete Stelle, sprang einfach auf das Dach und stellte die Flagge auf, bevor die anderen Zeit hatten, etwas dazu sagen. Er behauptete während des gesamten Gerichtsverfahrens, dass er keine Ahnung gehabt habe, dass es sich um ein FSB-Gebäude gehandelt habe.

Die Staatsanwaltschaft behauptete, dass alle drei Männer an der Tat beteiligt waren. Feldman litt jedoch als Kind an zerebraler Kinderlähmung und hätte allein schon physisch die „beanstandete Tat‘ nicht begehen können. Nach der Vermutung seines Anwalts Dmitrij Dinse haben sich die Ermittlungsbeamten auf ihn konzentriert, weil er im “Öffentlichen Selbstverteidigungsausschuss” sehr aktiv war. Feldman wird außerdem des Besitzes einer kleinen Menge Sprengstoff (Hexogen) beschuldigt (ohne dass es dafür irgendeine Grundlage gäbe…). Er gab an, man habe ihm den Sprengstoff untergeschoben, und sicherlich ist die Behauptung der Ermittler, er habe den Sprengstoff zu Hause gehabt, nicht sehr plausibel, da keine Spur davon in seiner Wohnung gefunden wurde. Außerdem hat das mit dem Hissen der Fahne nichts zu tun.

Die Männer standen vor dem Hissen der Fahne alle unter Beobachtung, und der FSB war sofort an Ort und Stelle. Feldman wurde zu Boden geworfen, als er versuchte, die Flagge zu fotografieren. Die anderen beiden schafften es wegzulaufen, wurden aber bald eingeholt.

Am 17. Juni wurden alle drei Männer aufgrund von „Rowdytum“ zu einem Jahr und einem Monat Haft verurteilt, Feldman erhielt außerdem eine sechsmonatige Freiheitsstrafe wegen illegalen Spengstoffbesitzes. Da die beiden Anklagepunkte teilweise als gleichzeitig gewertet wurden, summiert sich die Gesamtstrafe auf etwas weniger als 14 Monate, was bedeutet, dass alle drei die gegen sie verhängten Strafen bereits verbüßt haben. Trotz der Absurdität des Prozesses war der Richter offensichtlich nicht bereit, sich mit einem Freispruch dem FSB zu widersetzen, zumindest erlaubte er aber ihre Freilassung.

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