Stiften gehen

Seit Jahren hadert Moskau mit politischen Organisationen aus dem Ausland. Jetzt wäre es beinahe zum Eklat gekommen.

Seit Jahren hadert Moskau mit politischen Organisationen aus dem Ausland. Jetzt wäre es beinahe zum Eklat gekommen.

Der Gründonnerstag wird dem Leiter des Moskauer Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Erinnerung bleiben. Mirko Hempel war in St. Petersburg zu Gast, als er von russischen Sicherheitsbehörden abgeholt und mehrere Stunden lang verhört wurde. Die Behörden warfen ihm nach Informationen derSüddeutschen Zeitung vor, seine Tätigkeit in der Russischen Föderation bewege sich nicht in jenem Bereich, den sein Geschäftsvisum vorsehe.

Kurz darauf wurde Hempel, diesmal auf Reisen in Berlin, signalisiert, dass ihm die Rückkehr nach Moskau verweigert werden könnte. Faktisch wäre das einem Visumsentzug gleichgekommen.

Für politische Stiftungen ist das der Alarmfall. In Moskau rechnen viele ausländische Organisationen damit, dass sie an die Leine genommen oder gar ausgewiesen werden könnten. Der Umgang mit der Friedrich-Ebert-Stiftung barg also gewaltige Sprengkraft: Nicht nur wäre eine kalte Ausweisung Gift für die allemal reduzierten deutsch-russischen Beziehungen. Sie hätte auch Signalwirkung für die Vertreter anderer ausländischer Stiftungen, die alle auf der gleichen Visa-Grundlage im Land arbeiten. Die Politik musste sich der Sache annehmen.

Zuständig für die Gespräche sind in beiden Ländern die Außenministerien. Schnell war klar: Beide Häuser hatten das Interesse, die Sache geräuschlos beizulegen. Auf dem Rücken der FES sollte kein Streit zwischen Deutschland und Russland geschürt werden. Vielmehr wurde deutlich, dass hier ein Problem zwischen russischen Behörden ausgetragen wurde, dem Außenministerium und einer Sicherheitsbehörde. Das Ministerium von Minister Sergej Lawrow bedauerte gar den Fall – und löste ihn an Ende friedlich.

Ausländische Stiftungen in Russland kümmern sich um alle möglichen Themen, manche dürften in Moskau Wohlwollen hervorrufen, andere Argwohn. Die Friedrich-Ebert-Stiftung etwa veranstaltet in Kürze eine Konferenz über den Ausbau der Infrastruktur für Fahrräder. Im Herbst will sie in Perm über die Aufarbeitung der Stalin-Verbrechen diskutieren und dabei das einstige Arbeitslager Perm-36 besuchen; jenes Museum, das 2014 von den Behörden geschlossen und mit neuer Leitung wiedereröffnet wurde – freilich auch mit einer Neuinterpretation der Geschichte.

Schwer vorstellbar, dass ein einziges Projekt Grund für das harte Vorgehen gegen den Moskauer Büroleiter sein könnte. Allerdings passt der Fall zum politischen Grundrauschen. Vor allem im russischen Wahljahr sieht die Führung Angriffe aller Art auf das Land, Stiftungen gilt dabei ein besonderes Misstrauen.

Spätestens seit dem "Agentengesetz" 2012 werden derartige Organisationen stigmatisiert, nicht nur russische. Schon vor drei Jahren wurden auch Büros deutscher Stiftungen in Russland durchsucht. Beobachter vermuten deshalb, dass es sich um einen Warnschuss im Wahljahr gehandelt haben könnte. Der würde auch im Inneren gehört: von russische Organisationen, die mit ausländischen kooperieren.

Entzünden kann sich der Streit offenbar immer wieder, weil die rechtliche Grundlage für die Arbeit der Stiftungen schwammig ist. 2006 hatte die Regierung ein neues NGO-Gesetz erlassen, Geschäftsgrundlage für die Registrierung auch aller deutschen Stiftungen. Nirgendwo aber ist geregelt, wer dafür auf russischer Seite zuständig ist. Irgendwann wanderte die Kompetenz zu einer Registrierungs-Kammer des Justizministeriums, die aber 2014aufgelöst wurde.

In der Causa FES reiste nun der frühere Ministerpräsident von Brandenburg und Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck, nach Moskau. Gernot Erler, Russlandbeauftragter der Bundesregierung, wird am 19. April in Moskau erwartet. Aus dem Auswärtigen Amt raunte es lediglich vieldeutig: "Wir setzen darauf, dass in Moskau eine vernünftige Lösung gefunden wird, die den deutschen politischen Stiftungen ihre Arbeit möglich macht."

Noch scheint diese Lösung nicht in aller Form auf Papier gebracht zu sein. Aber zumindest ist der Fall Hempel begelegt. Wie es hieß, bekomme der Leiter der FES-Repräsentanz ein neues Visum und könne wieder einreisen.

Von Julian Hans, Stefan Kornelius und Frank Nienhuysen

sueddeutsche.de