Kraftvoller Tag des Schweigens in St. Petersburg

Mit mehreren Aktionen machten junge LGBT-Aktivisten auf ihre Nöte aufmerksam – und auf die drohende Schließung von Kinder 404.

Mit mehreren Aktionen machten junge LGBT-Aktivisten auf ihre Nöte aufmerksam – und auf die drohende Schließung von Kinder 404.

In St. Petersburg haben am Freitag bis zu 100 junge LGBT-Aktivisten den Tag des Schweigens (Day of Silence) begangen. Die Aktionsform stammt ursprünglich aus den USA und erinnert an die Unterdrückung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transsexuellen und Transgendern, die bis hin zu einem Totschweigen des Themas geht.

Es war nicht das erste Mal, dass der Tag in St. Petersburg begangen wurde, aber vielleicht das wichtigste Mal: Derzeit droht "Kinder 404", einem großen Online-Forum für LGBT-Jugendliche, die Schließung. Ein Gericht hat inzwischen die Abschaltung der Seite im sozialen Netzwerk VK beschlossen (queer.de berichtete), auch gegen die Gründerin des Projekts wird weiter vorgegangen (queer.de berichtete, s.a. das Urgent Action von Queer Amnesty).


In Flugblättern wiesen die Jugendlichen, die mit verklebten Mündern durch die Innenstadt zogen, Passanten auf "Kinder 404" sowie auf ihre Wünsche und Anliegen hin. Auch viele Medien berichteten von den Aktionen, die größtenteils friedlich verliefen. Die Polizei schützte die Demonstranten vor vereinzelten Störern und Gewalttätern, von denen einige festgenommen wurden.

Vor allem ein kleinerer Protest, der sich gezielt gegen die Schließung von "Kinder 404" richtete, wurde vom Vorsitzenden der orthodox-nationalistischen Bewegung Narodny Sobor gestört, der den Aktivisten Plakate aus der Hand riss, sie angriff und die Polizei aufforderte, ihr Alter zu überprüfen. Die Aktivisten ließen sich aber nicht einschüchtern (Video).

Im Vorfeld hatte die St. Petersburger Organisation "Coming out" ein beeindruckendes Video veröffentlicht. Seine Aussage: "Das Schweigen kann uns zerstören, aber wir können das Schweigen zerstören."

Youtube (02:32)

Nach dem Protest berichtete eine Teilnehmerin in einem Posting im sozialen Netzwerk VK, sie habe sich lange nicht getraut, auf die Straße zu gehen. Dann habe sie allen Mut zusammengenommen und der Marsch durch die Innenstadt habe sich toll angefühlt, warm und familiär. Das sei ihr "Sieg" über die eigene Bequemlichkeit und den Wunsch, die Komfortzone nicht zu verlassen: "Indem ich Angst und Gleichgültigkeit hinter mir gelassen habe, habe ich die Welt und die Menschen etwas offener gemacht und vielleicht anderen geholfen, demnächst das gleiche zu tun."

Mehr Fotos und Infos (auf Russisch) gibt es hier. Die nächsten größeren LGBT-Proteste in Russland sind für den 17. Mai geplant, dem Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie. Auch in vielen deutschen Städten gibt es dazu Aktionen – und sicher auch hier junge Menschen, die ihren ganzen Mut zusammennehmen, um zum ersten Mal teilzunehmen. (nb)

http://www.queer.de/detail.php?article_id=23608

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