Am 19 Mai [2015] wurde in dritter Lesung das Föderationsgesetz “Über die Eintragung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation – das Gesetz über “unerwünschte nichtstaatliche Organisationen” angenommen. Am 23. Mai [2015] wurde es vom Präsidenten unterzeichnet.
Am 26.04.2017 sind drei ausländische Nichtregierungsorganisationen von der Russischen Föderation für “unerwünscht” erklärt worden. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir eine rechtlich Analyse des zugrundeliegenden Gesetzes, das im Mai 2015 in Kraft trat.
Eine kurze rechtliche Analyse des Gesetzestextes von der Rechtsanwältin Olga Gnezdilova.
Analyse des Gesetzes “Über die Eintragung von Änderungen in einzelne Gesetzgebungsakte der Russischen Föderation”.
Das Gesetz führt den Rechtsbegriff “ausländische oder internationale nichtstaatliche Organisation, im Bezug auf die die Entscheidung getroffen wurde, dass sie auf dem Gebiet der Russischen Föderation unerwünscht ist” ein; der Einfachheit halber verwenden wir den Begriff “unerwünschte nichtstaatliche Organisation”. Das Gesetz legt das Vorgehen für die Eintragung als unerwünscht fest sowie die Folgen für die Organisationen selbst und für die Personen, die an der Tätigkeit dieser Organisationen beteiligt sind.
Das Procedere bei der Feststellung einer nichtstaatlichen Organisation als “unerwünscht”
Der Ablauf ist im “Dima-Jakovlev-Gesetz” (Föderales Gesetz “Über die Einflußmaßnahmen auf Personen, die an Verstößen gegen grundlegende Menschenrechte und Freiheiten sowie gegen Rechte und Freiheiten der Bürger der Russischen Föderation beteiligt sind”) beschrieben. Allerdings ist bislang nicht festgelegt, wie die Liste über diese nichtstaatlichen Organisationen geführt wird und welches Procedere es für den Ausschluß von dieser Liste gibt.
Welche nichtstaatlichen Organisationen
Das Gesetz betrifft ausländische oder internationale nichtstaatliche Organisationen. Bemerkenswert ist, dass das Wort “nichtkommerzielle” ausgelassen ist, demzufolge können auch kommerzielle Organisationen für “unerwünscht” befunden werde. Grundlage
Eine nichtstaatliche Organisation wird für “unerwünscht” erklärt, wenn sie eine Gefahr für die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Russischen Föderation, die Verteidigungsfähigkeit des Landes oder die Sicherheit des Staates darstellt.
Wer trifft die Entscheidung
Der Generalstaatsanwalt der RF oder seine Stellvertreter in Absprache mit dem “Föderationsorgan der Exekutive, das die Aufgabe der Entwicklung und Umsetzung der staatlichen Politik und der normativ-rechtlichen Regelungen im Bereich der internationalen Beziehungen der Russischen Föderation wahrnimmt.”
Der Status als “unerwünschte nichtstaatliche Organisation” greift ab dem Moment, zu dem die Information darüber in einer speziellen Liste auf der ofiiziellen Seite des Justizministeriums bekannt gegeben wurde. Wie diese Liste geführt wird, wie Ein- bzw. Ausschluß ablaufen, wird das Justizministerium später festlegen.
Aufhebung der Entscheidung
Die Entscheidung wird nach demselben Procedere aufgehoben. Von einer gerichtlichen Aufhebung wird nichts erwähnt. Was natürlich den Versuch einer Beschwerde vor Gericht nicht ausschließt.
А. Folgen für die Organisationen:
1) Verbot, neue strukturelle Unterabteilungen der “unerwünschten nichtstaatlichen Organisation” auf dem Gebiet der Russischen Föderation einzuführen und Beendigung der Arbeit der existierenden Strukturen.
2) Verbot, Informationsmaterialien der “unerwünschten nichtstaatlichen Organisation zu verbreiten, u.a. in Medien und dem Internet; ebenso Verbot der Herstellung und Aufbewahrung solcher Materialien mit dem Ziel der Verbreitung. Die Formulierung “mit dem Ziel der Verbreitung” sollte aufgefasst werden als “in mehr als einem Exemplar”.
3) Verbot der Umsetzung von Programmen (Projekten) für die “unerwünschte nichtstaatliche Organisation” auf dem Gebiet der Russischen Föderation. Dabei ist es nicht zwingend, dass das Projekt von der nichtstaatlichen Organisation selbst ausgeht. Das Wort “für” wird recht breit ausgelegt werden, z.B. “im Interesse” oder “in Partnerschaft”. Dieses Verbot erstreckt sich in vollem Umfang auch auf russische nichtstaatliche Organisationen, einzelne Bürger und auch russische kommerzielle Organisationen.
4) Verpflichtung für Kreditorganisationen oder nicht-kreditgebende Finanzorganisationen, Operationen mit Geldmitteln und (oder) anderen Eigentum zu verweigern, bei denen eine der Seiten eine “unerwünschte nichtstaatliche Organisation” ist. Ebenso muss die Information über diese Weigerung an das föderale Organ der Exekutive weitergeleitet werden, das Maßnahmen gegen die Legalisierung (Waschung) von Einkünften, die auf verbrecherische Art erzielt wurden, sowie gegen die Finanzierung von Terrorismus wahrnimmt. Das ist wiederum die Generalstaatsanwaltschaft und das Justizministerium.
B. Folgen für Personen:
1) Strafrechtliche Verantwortung (§ 284.1 StGB RF).
Verbrechen:
Wahrnehmung der Leitung einer “unerwünschten nichtstaatlichen Organisation” oder Teilnahme an den Tätigkeiten einer “unerwünschten nichtstaatlichen Organisation”, unter der Bedingung, dass man “für analoge Handlungen” zwei Mal innerhalb eines Jahres ordnungsrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde.
Strafe:
Geldstrafe von 300.000 bis 500.000 Rubel oder in Höhe des Einkommens für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren;
Arbeitsstunden bis zu 360 Stunden;
Zwangsarbeit bis zu fünf Jahren;
Freiheitsentzug von zwei bis zu sechs Jahren.
Dabei muss unter “Leitung” nicht nur der formelle Direktor verstanden werden, sondern jeder, der organisatorische oder verwaltende Funktionen wahrnimmt.
In dem Paragraphen gibt es die Anmerkung, dass eine Befreiung von der strafrechtlichen Verantwortung möglich ist, wenn die Person “freiwillig die Teilnahme an der Tätigkeit [der “unerwünschten nichtstaatlichen Organisation”] beendet hat”. Ausgehend von dieser Formulierung ist keine Rede von einer Strafbefreiung für den Leiter.
Die Strafverfahren werden vom Ermittlungskomitee eingeleitet und ermittelt, ebenso von “den Ermittlern des Organs, das dieses Verbrechen festgestellt hat”.
Raten Sie, wer das ist.
2) Ordnungsrechtliche Verantwortung (§ 20.33. OWiG RF)
Rechtsverletzung:
Durchführung der Tätigkeit einer “unerwünschten nichtstaatlichen Organisation”.
Teilnahme an der Tätigkeit einer “unerwünschten nichtstaatlichen Organisation”
Verstoß gegen Verbote, die im “Dima-Jakovlev-Gesetz” festgeschrieben sind (siehe Punkt: Folgen für die Organisationen).
Strafe:
Geldstrafe für Bürger zwischen 5.000 und 15.000 Rubel, für Amtsträger zwischen 20.000 und 50.000 Rubel, für juristische Personen zwischen 50.000 und 100.000 Rubel.
3) Einreiseverbot in die RF für ausländische Staatsangehörige
Es wird eine Änderung in das Föderationsgesetz “Über die Ein- und Ausreiseregelungen in die / aus der Russischen Föderation” eingetragen, nach der ausländischen Staatsangehörige und Personen ohne Staatsangehörigkeit, die an der Tätigkeit einer “unerwünschten nichtstaatlichen Organisation” teilnehmen, die Einreise auf das Gebiet der RF verboten werden kann.
***
Im Zusammenhang mit der Annahme des Gesetzes gibt es für Organisationen, die dem Staat nicht gefallen, überhaupt keine Arbeitsmöglichkeit mehr auf dem Gebiet der Russischen Föderation. Der erste Schlag gegen unabhängige NGOs wurde mit der Annahme der Gesetzgebung über “ausländische Agenten” geführt, in deren Ergebnis sich viele russische Organisationen von einer Finanzierung von außen lossagten oder ihre Tätigkeit einstellten.
Jetzt sind ausländische und internationale nichtstaatliche Organisationen in Gefahr, die auf russischem Staatsgebiet arbeiten. Dabei geht es sowohl um diejenigen, die dort Abteilungen haben als auch um die, die nur mit einzelnen Experten zusammenarbeiten. Ebenso geht es um ihre russischen Partner – sowohl NGOs als auch kommerzielle Organisationen. Jetzt ist die Finanzierung solcher Tätigkeiten unmöglich geworden und selbst die Arbeit aus reinem Enthusiasmus ist strafrechtlicht bewehrt.
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