Ein 18-jähriger Russe kritisierte die russische Aggression in der Ukraine offen: Das machte ihn im Westen zum Helden und in der Heimat zum Feind. Nun ist er tot.
Ein 18-jähriger Russe kritisierte die russische Aggression in der Ukraine offen: Das machte ihn im Westen zum Helden und in der Heimat zum Feind. Nun ist er tot.
Die jüngsten Fotos auf seiner Facebook-Seite zeigen einen gutaussehenden jungen Mann: dunkle Haare, dunkle Augen, etwas kindlich-helle Haut. Bemerkenswerte 4700 Freunde und fast so viele Follower aus aller Welt zählt sein Profil. Denn im vergangenen Frühsommer wurde Wlad Kolesnikow berühmt.
Der damals 17-Jährige wohnte mit seinem Grossvater in Podolsk, einem Vorort knapp 50 Kilometer südlich von Moskau. Bei der Einberufung durch die Armee erklärte er den dortigen Offizieren, er wolle nicht in den Krieg gegen seine ukrainischen Brüder ziehen, und spielte dazu von seinem Handy die ukrainische Hymne ab. Die Beamten hätten bei ihm darauf «Persönlichkeitsstörungen» diagnostiziert, erzählte Kolesnikow in einem Interview gegenüber Radio Svoboda.
Wenige Wochen später, am 3. Juni, ging Kolesnikow mit einem T-Shirt in die Schule, auf dem eine ukrainische Flagge und der Schriftzug «Gebt die Krim zurück» zu sehen waren. Eine Anspielung auf die von Russland im Frühjahr 2014 annektierte Schwarzmeerhalbinsel . Wenige Tage später wurde Kolesnikow laut eigenen Angaben von Klassenkameraden zusammengeschlagen, von der Polizei verhört und von der Schule verwiesen.
Aber nicht nur seine Schulkameraden und die Behörden stellten sich gegen Kolesnikow – auch sein eigener Grossvater zog in einem langen Interview mit dem Boulevardblatt «Komsomolskaja Prawda» über ihn her. Sein Enkel, der ganz leicht aggressiv werden könne, sei von Mormonen angeworben worden, bei denen es sich um amerikanische Agenten handelte, erklärte der Grossvater. Wlad sei ganz klar von jemandem bezahlt und gelenkt worden.
Der Grossvater schickte Wlad danach zurück zu seinem Vater in die russische Provinzstadt Schiguljowsk. «Ich hoffe, dass ihm die heilende Luft in der Provinz alle Torheit aus dem Kopfe treibt.»
Journalisten, die mit Kolesnikow in den vergangenen Monaten in Briefkontakt standen, beschreiben den jungen Mann jedoch weder als verrückt noch als aggressiv. Die Internetzeitung «Novi Region»veröffentlichte aus dem Gedankenaustausch mit Kolesnikow. Der russische Regimekritiker schrieb: «Wir müssen kämpfen, um Hoffnung für unsere Kinder zu haben. Damit wir im Alter sagen können: ‹Sie sind frei, weil wir keine Angst hatten. Die Welt ist frei, weil ich dafür gekämpft habe.›»
Auch in der Provinz bei seinem Vater erging es Kolesnikow offenbar nicht besser. Er werde auch dort von seinen Mitschülern gemobbt und geschlagen, berichtete er der Journalistin Claire Bigg von Radio Free Europe . Hilfe konnte er von der Polizei nicht erwarten: Wenn er könnte, würde auch er ihn schlagen, soll ihm ein Beamter gesagt haben. An Weihnachten schrieb Kolesnikow eine letzte Nachricht an die Journalistin Bigg: «Wenn ich mich in 2 bis 6 Tagen nicht melde, bin ich tot. Ich habe eine tödliche Dosis genommen.» Wenige Stunden später bestätigte die russische Polizei, dass Kolesnikow an einem Cocktail aus Alkohol und Medikamenten gestorben sei. Allem Anschein nach hat sich Wlad Kolesnikow das Leben genommen, weil er selbst die Hoffnung in seinen Kampf verloren hatte.
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